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Manch­mal muss die See­le mit­ver­sorgt werden

    08.03.2023 — Die Clop­pen­bur­ger Johan­ni­ter küm­mern sich um Geflüch­te­te in der Sani­täts­sta­ti­on in der Jugend­her­ber­ge an der Thüls­fel­der Tal­sper­re. Unter den ehren­amt­li­chen Hel­fern der Johan­ni­ter sind auch zwei Schü­ler der BBS am Musems­dorf. Jonas Nie­mann und Den­nis Las­kow­ski sind im 2. bzw. 3. Aus­bil­dungs­jahr der gene­ra­lis­ti­schen Pfle­ge­aus­bil­dung und konn­ten in der Sani­täts­sta­ti­on ihre Pfle­ge- und Betreu­ungs­fä­hig­kei­ten unter Beweis stellen.

    Ein Ein­blick:

    Der Weg war weit und dau­er­te lang. Fast zwei Jah­re brauch­te Jibril von Afgha­ni­stan bis nach Deutsch­land. Jetzt steht der End­zwan­zi­ger in der Sani­täts­sta­ti­on der Johan­ni­ter in der Jugend­her­ber­ge Thüls­fel­der Tal­sper­re und kratzt sich den Unter­arm. „Das soll­te sich ein Arzt anschau­en“, sagt Jonas Nie­mann, Sani­tä­ter im Orts­ver­band Clop­pen­burg der Johan­ni­ter-Unfall-Hil­fe, und betrach­tet nach­denk­lich den Aus­schlag auf Jibrils Arm. Dann macht er eine Über­wei­sung fer­tig und gibt dem jun­gen Mann noch eine rezept­freie Sal­be zur Lin­de­rung des Juck­rei­zes. Sein Kol­le­ge Den­nis Las­kow­ski trägt den Fall ins elek­tro­ni­sche Behand­lungs­buch ein.

    Zur­zeit befin­den sich rund 190 Geflüch­te­te aus 13 Natio­nen in der Jugend­her­ber­ge Thüls­fel­der Tal­sper­re, die von der Lan­des­auf­nah­me­be­hör­de Nie­der­sach­sen (LAB) bis Ende März als Aus­weich­quar­tier ange­mie­tet wor­den ist. Für alle Sei­ten eine gute Ver­ein­ba­rung. Die LAB kann die gro­ße Zahl Geflüch­te­ter, die zur­zeit in Deutsch­land ankom­men, bes­ser unter­brin­gen, das Deut­sche Jugend­her­bergs­werk (DJH) ihre im Win­ter nicht aus­ge­las­te­ten Ein­rich­tun­gen ver­mie­ten. Und die Geflüch­te­ten haben mehr Platz und ein fes­tes Dach über den Kopf. In der Regi­on hat die LAB die Jugend­her­ber­gen Thüls­fel­der Tal­sper­re, Bad Zwi­schen­ahn, Emden und Aurich ange­mie­tet. In allen vier Ein­rich­tun­gen küm­mern sich die Johan­ni­ter um die medi­zi­ni­sche Erst­ver­sor­gung der Bewoh­nen­den und füh­ren Coro­na-Tes­tun­gen vor den Trans­fers in die auf­neh­men­den Kom­mu­nen durch.

    In Thü­le beset­zen die Johan­ni­ter dafür diens­tag­abends und don­ners­tags für jeweils drei Stun­den die Sani­täts­sta­ti­on. Sie sind grund­sätz­lich zu zweit oder zu dritt. Besetzt wer­den die Diens­te von einer Grup­pe aus vier ehren­amt­li­chen und zwei Hel­fen­den, die haupt­amt­lich in ande­ren Berei­chen für die Johan­ni­ter-Unfall-Hil­fe tätig sind. „Das ging nicht anders“, erklärt Den­nis Las­kow­ski. „Unse­re Ehren­amt­li­chen sind alle berufs­tä­tig und kön­nen tags­über nicht.“ Dann sprin­gen die bei­den Haupt­amt­li­chen ein, die eigent­lich in den Berei­chen Ers­te-Hil­fe-Aus­bil­dung und Schul­sa­ni­täts­dienst tätig sind. In der übri­gen Zeit gibt es einen Not­ruf­knopf in die 24 Stun­den am Tag mit Fach­per­so­nal besetz­te Haus­not­ruf­zen­tra­le der Johan­ni­ter. Von dort wird der Bedarf abge­schätzt und ent­we­der die Clop­pen­bur­ger Johan­ni­ter alar­miert, um nach­zu­schau­en, oder bei lebens­be­droh­li­chen Not­fäl­len gleich der Ret­tungs­dienst. Dabei stim­men sich die Johan­ni­ter eng mit dem Sicher­heits­dienst ab, der rund um die Uhr vor Ort ist. Knapp hun­dert Behand­lun­gen pro Woche füh­ren sie durch. „Wir haben fast alles dabei: Herz­klap­pen­feh­ler, Tumor­pa­ti­en­ten, Dia­be­ti­ker, Grip­pe­kran­ke, Ver­dau­ungs­stö­run­gen, ein­ge­klemm­te Fin­ger, auch psy­cho­so­zia­le Fäl­le“, sagt Jonas Nie­mann. Eini­ge Schick­sa­le hin­ter­las­sen tie­fe Ein­drü­cke bei den Sani­tä­tern. „Eini­ge unse­rer Pati­en­ten wei­sen Spu­ren von Fol­te­run­gen auf. Da merkt man erst, wie gut wir es in Deutsch­land haben.“ In sol­chen Fäl­len muss auch die See­le mit­ver­sorgt werden.

    Die Gäs­te in der Jugend­her­ber­ge kom­men aus der gan­zen Welt, unter ande­rem aus Iran, Irak, der Tür­kei, Syri­en, Gui­nea, der Elfen­bein­küs­te, Afgha­ni­stan, Paki­stan und Kolum­bi­en. Die Ver­stän­di­gung erfolgt mit Sprach­mitt­lern oder über eine Über­set­zer-App. Aber auch unter den Geflüch­te­ten gibt es eini­ge, die Deutsch kön­nen. „Muss man sich wun­dern“, sagt Nie­mann. „Aber die haben tat­säch­lich in ihrer Hei­mat Deutsch gelernt.“ Medi­ka­men­te dür­fen die Sani­tä­ter nicht aus­ge­ben. Dazu über­wei­sen sie die Pati­en­ten an einen Haus- oder je nach Alter an einen Kin­der­arzt. „Die Zusam­men­ar­beit klappt sehr gut“, betont Nie­mann. Auch mit dem Sozi­al­dienst der LAB und dem Sicher­heits­dienst. Rund zehn Stun­den bringt jeder Sani­tä­ter pro Woche ehren­amt­lich ein. Und das ger­ne. „Letzt­lich“, sagt Jonas Nie­mann, „macht es Spaß und wir ler­nen eine gan­ze Men­ge dazu.“