06.07.2023 – Drei Referent*innen aus unterschiedlichsten Bereichen diskutierten diese Frage vor kurzem mit rund 60 Schüler*innen in Form eines Worldcafés.
Was ist das „Gesellschaftsjahr“?
Als Gesellschaftsjahr wird ein zeitlich begrenztes Engagement für die Gesellschaft bezeichnet, z.B. für soziale Dienste, Hilfsorganisationen oder die Streitkräfte.1 Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. möchte den gesellschaftspolitischen Diskussionsprozess anstoßen und veranstaltet Diskussionsforen oder Worldcafés. Dabei sollen Fragen geklärt werden wie: Benötigt Deutschland ein solches Gesellschaftsjahr? Soll es freiwillig oder verpflichtend sein? Welche Dauer soll es haben?
Das Worldcafé in den BBS am Museumsdorf
Angeleitet und moderiert wurde die Veranstaltung von Manuel Ley, dem Leiter des Hermann-Ehlers-Bildungsforums Weser-Ems der Konrad-Adenauer-Stiftung. Nach einem kurzen Input seinerseits gaben die externen Referent*innen eine pointierte persönliche Stellungnahme. Eingeladen waren dazu: Bundeswehrhauptmann Meike Bauersfeld (Jugendoffizierin Oldenburg), Jan Hoffmann (Geschäftsführer Deutsches Rotes Kreis, Kreisverband Cloppenburg e.V.) und Lukas Reinken (Mitglied des Nds. Landtages). Anschließend diskutierten sie in Form eines Worldcafés angeregt mit den etwa 60 Schüler*innen aus den Berufsfeldern Agrarwirtschaft, Ernährung, Pflege, Gesundheit und Wirtschaft. Dabei wurde in den einzelnen Runden des Wordcafés viel diskutiert und viele Ideen und Denkanstöße von den Jugendlichen eingesammelt sowie ausgewertet.
Meinungen der Referent*innen – kurz zusammengefasst
Alle drei Referent*innen sehen Vorteile in einem Gesellschaftsjahr, wobei die Freiwilligkeit unterschiedlich gesehen wird. Vorteile eines solchen Gesellschaftsjahrs sind u.a. dass es sich positiv auf die freie Persönlichkeitsentwicklung auswirkt. Zudem fördert die Verantwortungsübernahme und das Engagement in einem Gesellschaftsjahr die Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dieses gewinnt in Zeiten, in denen sich immer mehr Individuen abgrenzen und die Gesellschaft spalten, an Relevanz. Des Weiteren kann die dabei gemachte Erfahrung, dass Menschen etwas für Menschen tun, sehr bereichernd sein. Jugendliche könnten dadurch auch ihren Lebensweg finden. Angesprochen wurde aber auch, dass ein solches Gesellschaftsjahr, falls es freiwillig sein sollte, z.B. durch bessere Bezahlung, oder mit Anrechnungsmöglichkeiten auf ein Studium mehr Anerkennung erfahren sollte.
Meinungen unser Schüler*innen
Die Freiwilligkeit eines „Gesellschaftsdienstes“: 39 % der befragten Schüler*innen sind für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres, 41 % sind dagegen, während 20 % unentschieden sind.
Der Ort: Viele Schüler*innen wussten zu Beginn nicht, wo ein Gesellschaftsjahr möglich wäre und wünschen sich diesbezüglich mehr Aufklärung durch die Schule. Viele würden sich für die Bundeswehr entscheiden, für Organisationen in der Kinder- und Jugendarbeit oder in der Gesundheits- und Altenpflege, eng gefolgt von Sportvereinen. Ein Gesellschaftsjahr in Bildungseinrichtungen, in Umwelt-/Naturschutzverbänden oder gar in kulturellen Einrichtungen zu absolvieren, steht tendenziell eher nicht auf der gewünschten Liste. 45 % der Schüler*innen würden den Gesellschaftsdient gerne in Deutschland und im Ausland absolvieren, 40 % nur in Deutschland und 15 % komplett im Ausland.
Die Dauer: Unsere Schüler*innen wünschen sich eine höhere Flexibilisierung. Während ein Drittel der Schüler für ein Jahr plädieren, stimmten ebenfalls ein Drittel der Schüler für eine Stückelung dieses Jahres. Für 23 % der Befragten reicht ein Gesellschaftsjahr, welches 6-9 Monate dauert, völlig aus.
Die Vorteile aus Schülersicht: Es dient der persönlichen Weiterentwicklung, es können Erfahrungen gesammelt werden, ggf. auch im Hinblick auf die spätere berufliche Tätigkeit. Zudem wird der Kontakt zu Menschen hergestellt, die man sonst vielleicht nie getroffen hätten. Das Gesellschaftsjahr macht zudem Spaß.
Ideen, wie ein Gesellschaftsjahr attraktiver gestaltet werden könnte und wodurch die Nachteile kompensiert werden könnten: Als klares Kriterium nennen die Schüler*innen das Geld – das „Gesellschaftsjahr“ muss sich finanziell lohnen. Anrechnungen durch z.B. Creditpoints auf Studium oder Ausbildung wären eine weitere Möglichkeit. Das Jahr muss zudem gewürdigt werden – z. B. durch kostenloses Bahn- und Busfahren oder durch sonstige Vergünstigungen. Weiterhin nennen die Schüler*innen die Flexibilisierung des „Gesellschaftsjahres“. Außerdem wichtig ist sind Informationsangebote in den Schulen, u.a. dazu, wo ein solches Jahr absolviert werden könne. Auch Werbung von den jeweiligen Organisationen würden den Blickwinkel für das „Gesellschaftsjahr“ öffnen und verbreiten.
Der Name: Unsere Schüler*innen machten eine Vielzahl an Vorschlägen wie z.B. Sozialjahr, Orientierungsjahr, Chancenzeit, Gesellschaftsjahr, Praxisjahr oder auch Erfahrungsjahr.
Ausblick – was passiert nun mit den Ergebnissen?
Im September wird eine Schülerin aus der Fachschule Agrarwirtschaft zum JugendPolitikTag nach Berlin fahren und dort die Schülerergebnisse der BBS am Museumsdorf vorstellen. Auf diesem Treffen werden die Umfrageergebnisse aller Veranstaltungen aus ganz Deutschland u.a. vor Politiker*innen präsentiert und diskutiert.
1 Konrad-Adenauer-Stiftung (2023). ChancenZeit – geMEINsam für Gesellschaft. URL: https://www.kas.de/de/web/politische-bildung/chancenzeit [Abruf am 30.06.2023].
Bild: Meike Bauersfeld (Jugendoffizierin Oldenburg), Jan Hoffmann (Geschäftsführer Deutsches Rotes Kreis, Kreisverband Cloppenburg e.V.), Manuel Ley (Leiter des Hermann-Ehlers-Bildungsforums Weser-Ems der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V), Lukas Reinken (Mitglied des Nds. Landtages), Schulleiter Günter Lübke, Politik-Teamleiterin Nicole Bruns.